Cover E DIN EN IEC 60599 VDE 0370-7:2021-10
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E DIN EN IEC 60599 VDE 0370-7:2021-10

In Betrieb befindliche, mit Mineralöl befüllte elektrische Geräte

Leitfaden zur Interpretation der Analyse gelöster und freier Gase

(IEC 10/1120/CD:2020); Text Deutsch und Englisch
Art/Status: Norm-Entwurf, gültig
Ausgabedatum: 2021 -10   Erscheinungsdatum: 2021-09 -03
VDE-Artnr.: 1300127
Ende der Einspruchsfrist: 2021-11-03

Mineralöle sind ein Gemisch verschiedener Kohlenwasserstoff-Moleküle mit CH3-, CH2- und CH-Gruppen, die über Kohlenstoff-Kohlenstoff-Bindungen miteinander verknüpft sind. Durch elektrische und thermische Fehler erfolgt eine Spaltung mancher der C-H- und C-C-Bindungen und das führt zur Bildung kleiner, instabiler Fragmente, radikalischer oder ionischer Natur, wie z. B. , , , oder (neben vielen anderen, auch komplexeren Formen). Diese Fragmente rekombinieren schnell durch komplizierte Reaktionen zu Gasmolekülen wie z. B. Wasserstoff (H-H), Methan (CH3-H), Ethan (CH3-CH3), Ethen (CH2 = CH2) oder Ethin (CH CH). C3- und C4-Kohlenwasserstoffgase sowie feste Kohlenstoffteilchen und Kohlenwasserstoffpolymere (X-Wachs) sind weitere mögliche Rekombinationsprodukte. Die gebildeten Gase lösen sich in Öl oder sammeln sich, bei rascher Bildung großer Mengen, als freie Gase und können mittels Gas-in-Öl-Analyse nach IEC 60567 analysiert werden.
Fehler niedriger Energie, wie z. B. Teilentladungen des kalten Plasmatyps (Korona-Entladungen), begünsti-gen durch Ionisierungsreaktionen die Spaltung der schwächsten C-H-Bindung (338 kJ/mol) und die Bildung von Wasserstoff als Hauptrekombinationsgas. Größere Energie und/oder höhere Temperaturen sind für die Spaltung der C-C-Bindung und ihre Rekombination zu Gasen mit einer C-C-Einfachbindung (607 kJ/mol), C=C-Doppelbindung (720 kJ/mol) oder C?C-Dreifachbindung (960 kJ/mol) notwendig. Diese Prozesse weisen gewisse Ähnlichkeiten zu Crack-Prozessen in der Erdölindustrie auf.
Die Bildung von Ethylen ist daher gegenüber der von Ethan und Methan bei Temperaturen oberhalb von etwa 500 °C begünstigt (wenn auch unterhalb kleinere Mengen entstehen). Acetylen erfordert Temperaturen von mindestens 800 °C bis 1 200 °C und ein schnelles Absinken zu tieferen Temperaturen, damit es sich als stabiles Rekombinationsprodukt ansammeln kann. Acetylen entsteht in signifikanten Mengen vor allem in Lichtbögen, wo der leitende Ionenkanal mehrere Tausend Grad Celsius heiß ist und die Schnittstelle mit dem umgebenden flüssigen Öl notwendigerweise unterhalb von 400 °C (oberhalb dieser Temperatur verdampft Öl vollständig) liegt. Dazwischen befindet sich eine Schicht aus Öldampf/Zersetzungsgasen. Acetylen kann in sehr kleinen Mengen auch bei niedrigeren Temperaturen (< 800 °C) gebildet werden. Kohlenstoff-Teilchen entstehen bei 500 °C bis 800 °C und werden tatsächlich nach Lichtbogenentladungen im Öl oder an Stellen sehr hoher Temperatur beobachtet.
Öl kann unter Bildung kleiner Mengen von CO und CO2 oxidieren. Diese Gase können sich über längere Zeiträume in beträchtlicheren Mengen ansammeln.
Die Analyse gelöster und freier Gase (DGA) (en: Dissolved Gas Analysis) ist eines der am häufigsten angewendeten diagnostischen Hilfsmittel zur Erkennung und Bewertung von Fehlern in mit Isolierflüssigkeit gefüllten elektrischen Geräten. Allerdings ist die Interpretation der Ergebnisse von Gas-in-Öl-Analysen oft sehr aufwändig und komplex und daher grundsätzlich mit großer Sorgfalt unter Einbeziehung von in der Wartung von Isoliersystemen erfahrenem Personal durchzuführen.
Die hier vorliegende Internationale Norm dient als Leitfaden zur Erleichterung dieser Interpretation. Die erste, im Jahr 1978 veröffentlichte Ausgabe, war der Industrie von großem Nutzen, hatte aber ihre Unzulänglichkeiten und Einschränkungen, wie das Fehlen einer Diagnostik in manchen Fällen, das Fehlen von Angaben zu Konzentrationsniveaus und die Tatsache, dass sie hautsächlich auf Erfahrungen mit Leistungstransformatoren beruhte. In der zweiten Ausgabe wurde der Versuch unternommen, einige dieser Mängel zu beseitigen. Die lnterpretationsmodelle basierten nun auf Beobachtungen, die bei Untersuchungen an einer Vielzahl fehlerhafter, ölgefüllter elektrischer Geräte im Betrieb gemacht wurden. Konzentrationsniveaus wurden aus weltweit gesammelten Analyseergebnissen abgeleitet.
Diese Internationale Norm beschreibt, wie die Konzentrationen von gelösten oder freien Gasen interpretiert werden können, um den Zustand im Betrieb befindlicher ölgefüllter elektrischer Geräte zu diagnostizieren und sich daraus ergebende zukünftige Maßnahmen vorzuschlagen.
Diese Norm gilt für mineralölgefüllte elektrische Geräte mit fester Isolation aus Papier auf Zellulosebasis oder basierend auf Pressspan. Angaben für bestimmte Gerätetypen, wie Transformatoren (Leistungs-transformatoren, Messwandler, Industrie-, Bahn-, Verteiltransformatoren), Drosseln, Durchführungen, Schaltanlagen und ölgefüllte Kabel, sind nur als Anwendungshinweise (siehe Anhang A) zu betrachten.
Diese Norm darf nur mit Vorsicht auf andere Flüssig-Fest-lsoliersysteme angewendet werden.
ln jedem Fall sollten die gewonnenen Erkenntnisse nur als eine Anleitung betrachtet werden. Jede sich daraus ergebene Maßnahme sollte nur mit angemessener technischer Beurteilung durchgeführt werden.

Gegenüber DIN EN 60599 (VDE 0370-7):2016-10 wurden folgende Änderungen vorgenommen:
a) Anhang A.5 zu Durchführungen wurde überarbeitet hinsichtlich einer Konsolidierung von IEC 60599 mit IEC TR 61464 und CIGRE Technical Brochure 771 (2019);
b) Anhang A.3 zu speziellen Transformatoren wurde überarbeitet insbesondere zu Transformatoren für Windenergieanlagen hinsichtlich einer Konsolidierung von IEC 60599 mit der CIGRE Technical Brochure 771 (2019);
c) Die normativen Verweise wurden aktualisiert.