Warum denken Kliniker und Entwickler unterschiedlich?

Konferenz: MEK 2005 - 4. Medizintechnik- und Ergonometriekongress - Vorträge des DGBMT-Kongresses: Medical Devices: Human Factors and Patient Safety
17.03.2005 - 18.03.2005 in Münster, Deutschland

Tagungsband: MEK 2005

Seiten: 5Sprache: DeutschTyp: PDF

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Autoren:
Hucklenbroich, Peter (Westfälische Wilhelms -Universität, Institut für Ethik, Geschichte und Theorie der Medizin, Münster, Deutschland)

Inhalt:
Klinisch tätige Mediziner und Entwickler medizinischer Geräte stammen in der Regel aus unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen wie z. B. einerseits Humanmedizin, andererseits Maschinen- und Gerätebau oder (Medizinischer) Informatik. Dabei handelt es sich nicht einfach um unterschiedliche Wissenschaften, sondern um unterschiedliche Typen von Wissenschaft. Die Medizin ist eine Humanwissenschaft, also eine Wissenschaft vom Menschen. Bei Gerätebau und Praktischer Informatik handelt es sich um Technikwissenschaften, also Wissenschaften über artifizielle Systeme. Die Verschiedenheit dieser Gegenstandsarten bedingt einen unterschiedlichen Theorie- und Wissenstypus, daraus folgend einen unterschiedlichen Typus der Beziehung von Theorie und Einzelfall, und daraus folgend eine unterschiedliche Methode des Denkens und Argumentierens. Dies läßt sich für die Medizin aufzeigen an den Grundbegriffen des Organismus, der Krankheit und der Diagnose. Vergleichbare Grundbegriffe der Technikwissenschaften wären das System, die Funktion und die Realisierung/ Programmierung. Bei der Entwicklung eines medizinischen Geräts oder wissensbasierten Systems geht es nun darum, im Rahmen der technikwissenschaftlichen Denkweise ein System zu realisieren, dessen Funktion gerade in der Ermöglichung des Arbeitens nach der humanwissenschaftlich-medizinischen Denkweise besteht. Dies ist zwar kein direkter Widerspruch, beinhaltet aber doch ein gewisses Paradoxon. Eine Lösung dieses Problems kann nur gelingen, wenn der oder die Entwickler in der Lage sind, von ihrer eigenen Denkweise so weit zu abstrahieren, daß sie die medizinische Denkweise in der Funktionsweise ihres Systems selbst berücksichtigen können. Dies macht die Entwicklung medizintechnischer Geräte und Systeme zu einem auch wissenschaftstheoretisch anspruchsvollen Unterfangen.